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Die Beschlussfassung im WEG

Beschlussfassung im WEG

Die gemeinschaftliche Verwaltung des Eigentums obliegt den Wohnungseigentümern. Die Eigentümergemeinschaft kann weitgehend selbst entscheiden, welche Angelegenheiten einer Beschlussfassung bedürfen. Doch welche Beschlussarten existieren und wann ist welche Art anzuwenden?

In diesem Beitrag beschreiben wir die wesentlichen Arten des Stimmrechts für Eigentümergemeinschaften nach dem WEG in Deutschland und in Österreich. Eine Übersicht der Beschlussarten finden Sie hier, und folgend im Detail:

 

Übersicht Stimmrecht im WEG

 

 DEUTSCHLAND

ÖSTERREICH

Kopfprinzip

Jeder Eigentümer hat eine Stimme, unabhängig von der Anzahl der besessenen Wohnungen. Gesetzliche Variante.

+ Einfache Mehrheit, §25 (1) WEG
+ Qualifizierte Mehrheit, §21 (2) WEG
+ Dreiviertel Mehrheit, §23 (1a) WEG

+ Einstimmig
+ Allstimmig

  • Miteigentumsanteile (MEA)

  • Die Höhe der Miteigentumsanteile pro Eigentümer wird für die Berechnung herangezogen.

    + Einfache oder “2/1-Drittel Mehrheit”, §24 (4) WEG

+ Zweidrittelmehrheit
+ Einstimmig

Alternativen  (entsprechend der Vereinbarung in der Teilungserklärung):

Wertprinzip

Die Höhe der Miteigentumsanteile pro Eigentümer wird für die Berechnung herangezogen.

Objektprinzip

Die Anzahl der besessenen Objekte pro Eigentümer wird für die Berechnung herangezogen.
 

 

Beschlussfassung in Deutschland

 

Seit der WEG Novelle 2020 in Deutschland ist prinzipiell jede Eigentümerversammlung (ETV) beschlussfähig, auch wenn nur eine einzelne Person daran teilnimmt - Ausnahmen bestätigen die Regel, zu denen wir weiter unten noch kommen.

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen:

  • Abstimmung mit einfacher Mehrheit
  • Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit
  • Einstimmige Abstimmung
  • Allstimmige Abstimmung
  • Umlaufbeschlüsse
  • Vereinbarungen

 

Beschlüsse mit einfacher Mehrheit

Ein Beschluss mit einfacher Mehrheit (§25 Abs. 1 WEG Deutschland) kommt zustande, wenn die Ja-Stimmen die Nein-Stimmen der an der Eigentümerversammlung teilnehmenden Eigentümer überwiegen. Enthaltungen bleiben unberücksichtigt, sofern die Gemeinschaftsordnung nichts anderes vorsieht.

Somit kann eine einfache Mehrheit auch erreicht werden, wenn weniger als die Hälfte der anwesenden Mitglieder zustimmt. Für einen positiven Beschluss würde ein einziger anwesender Teilnehmer ausreichen. Deswegen ist jeder Eigentümer gut beraten, an ETVs teilzunehmen, vor allem, wenn eine Abstimmung auf der Tagesordnung steht.

Anwendungsfälle für einfache Mehrheitsbeschlüsse:

  • Verwalterbestellung
  • Beschluss des Wirtschaftsplans
  • Aufforderung zur Rechnungslegung
  • Abschluss von Versicherungen
  • Verabschiedung der Hausordnung
  • Anstellung eines Hausmeisters

 
Beispiel:

Eine Eigentümergemeinschaft hat 20 Miteigentümer: Drei Eigentümer sind anwesend, zwei der Eigentümer stimmen mit Ja, ein Eigentümer mit Nein:

Der Antrag wurde angenommen, da mehr als die Hälfte der anwesenden Teilnehmer bei der Abstimmung zugestimmt hat.

 

Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit

Die früheren Quoren wurden größtenteils abgeschafft. Die einzige Ausnahme vom einfachen Mehrheitsprinzip bildet nun § 21 Abs. 2 WEG Deutschland:

Demnach tragen alle Eigentümer die Kosten einer baulichen Veränderung, wenn diese mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, die mindestens die Hälfte aller Miteigentumsanteile repräsentieren, beschlossen wurde und die Kosten verhältnismäßig sind. Diese Beschlussart ist also vor allem für die Kostenverteilung bestimmter Maßnahmen relevant.

Anzumerken ist, dass die nötige Mehrheit von über zwei Dritteln der Stimmen nicht alle Eigentümer einbezieht, sondern nur die bei der Versammlung abgegebenen Stimmen. Allerdings müssen diese mindestens die Hälfte aller Miteigentumsanteile abbilden!

Anwendungsfälle für qualifizierte Mehrheitsbeschlüsse:

  • Umfangreiche Modernisierungen
  • Änderungen der Kostenverteilung bei Instandhaltung
  • Entscheidungen mit hohen Kosten für einzelne Eigentümer

 

Beispiel:

Eine Eigentümergemeinschaft hat 20 Miteigentümer, 18 sind bei der ETV anwesend. 12 der Eigentümer stimmen mit Ja (12 von 18 = mehr als zwei Drittel der teilnehmenden Eigentümer) und 6 Eigentümer mit Nein. Gleichzeitig halten die 12 Eigentümer, die mit Ja gestimmt haben, mehr als 50% der Gesamt-Miteigentumsanteile:

Der Antrag wurde angenommen.

 

Virtuelle Eigentümerversammlungen: 75% Mehrheit

Möchte die Eigentümergemeinschaft rein digitale (virtuelle) Versammlungen abhalten, müssen mindestens 75% der teilnehmenden Eigentümer dem zustimmen (§ 23 Absatz 1a WEG Deutschland). Mehr Infos dazu finden Sie auch in unserem Beitrag:

"Eigentümerversammlungen ab jetzt vollständig virtuell möglich"

 

Der einstimmige Beschluss

Ein einstimmiger Beschluss ist eine Sonderform der qualifizierten Mehrheit: Er liegt vor, wenn alle anwesenden und vertretenen Mitglieder zustimmen. Enthält sich nur einer, ist keine Einstimmigkeit erreicht.

Beispiel:

Eine Eigentümergemeinschaft hat 20 Miteigentümer, 5 sind anwesend und alle 5 stimmen zu:

Der Antrag wurde angenommen.

 

Der allstimmige Beschluss

Der allstimmige Beschluss liegt vor, wenn alle Eigentümer einer Eigentümergemeinschaft einem Antrag zustimmen. Bei einer Eigentümerversammlung müssen dafür alle Eigentümer anwesend oder wirksam vertreten sein und dem Antrag zustimmen.

Anwendungsfall für einen allstimmige Beschlüsse:

Umlaufbeschluss. Das Qorum für Umlaufbeschlüsse kann aber in der Teilungserklärung auf z.B. einfache Mehrheit abgesenkt werden, wenn die Eigentümer dies beschließen.

Beispiel:

Eine Eigentümergemeinschaft hat 20 Miteigentümer, 20 sind anwesend und alle 20 stimmen zu.

 

Der Umlaufbeschluss in Deutschland

Umlaufbeschlüsse werden vereinfacht: Die Textform genügt (z.B. eine Abstimmung per eMail oder Online-Tool ist möglich) und die Gemeinschaft kann beschließen, dass für bestimmte Themen die Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausreicht.

Beispiel:

Die Beauftragung eines Dachdeckers soll beschlossen werden, es fehlen aber noch wesentliche Infos. Die Eigentümer können entscheiden, dass die Abstimmung im Umlaufverfahren erfolgen soll, sobald alle Informationen vorliegen, und dann die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt.

§ 23 WEG Deutschland regelt die Details zu Versammlungen und Beschlüssen bzw. Beschlüsse im Umlaufverfahren der Wohnungseigentümer. Er legt fest, wie Versammlungen einberufen werden, wie Beschlüsse gefasst werden und welche Mehrheiten für verschiedene Entscheidungen erforderlich sind. Dieser Paragraph ist grundlegend für die Funktionsweise einer Wohnungseigentümergemeinschaft und gewährleistet eine geordnete Entscheidungsfindung.

§23 (3) WEG: "Auch ohne Versammlung ist ein Beschluss gültig, wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu diesem Beschluss in Textform erklären. Die Wohnungseigentümer können beschließen, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt."

 

Vereinbarungen

Eine Vereinbarung ist im Grunde ein einstimmiger Beschluss, dem alle im Grundbuch eingetragenen Eigentümer zustimmen. Gleichzeitig ist sie ein Vertrag zwischen den Eigentümern. Dieser gilt nur für aktuelle Eigentümer, nicht für Nachfolger wie neue Käufer. Um auch Rechtsnachfolger zu binden, muss die Vereinbarung in das Grundbuch eingetragen werden.

  


 

Beschlussfassung in Österreich

 

In Österreich richtet sich bei Eigentümerversammlungen das Stimmrecht nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile. Es zählt jede abgegebene Stimme, auch wenn diese nicht eindeutig "Ja" oder "Nein" ist, sondern "Enthalten".

Im Gegensatz zu Deutschland ist eine ETV in Österreich nicht automatisch beschlussfähig, solange nur ein einziger Eigentümer anwesend ist.

Allerdings wurde das Stimmrecht mit der WEG Novelle 2022 gelockert, da bis dahin viele Hausverwalter als gelebte Praxis während Eigentumsversammlungen mittels Umfrage ein Stimmungsbild abgerufen haben, und im Anschluss zur ETV einen Umlaufbeschluss durchgeführt haben. Eine Beschlussfassung während der ETV war oftmalig nicht vorgesehen, da die Hausverwaltung davon ausgehen konnte, dass das erforderliche Mindestquorum von 50% der Miteigentumsanteile (MEA) voraussichtlich sowieso nicht erreicht wird.

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen:

  • Abstimmung mit einfacher Mehrheit bzw. 2/1-Drittel Mehrheit
  • Zweidrittelmehrheit
  • Einstimmigkeit

 

Beschlüsse mit einfacher Mehrheit bzw. 2/1-Drittel Mehrheit

Mit der WEG Novelle 2022 wurde eine neue Regelung eingeführt. Laut §24 WEG Abs. 4 WEG (Österreich) ergibt sich eine einfache Mehrheit, indem mehr als 50% der Eigentümer (auf Basis Miteigentumsanteile) zustimmen. Dies war auch schon vor der Novelle so.

Neu ist aber, dass alternativ ein Beschluss zustande kommt, wenn mehr als 66% der anwesenden Eigentümer mit Ja abstimmen, und gleichzeitig diese Eigentümer zumindest 33% der gesamten Miteigentumsanteile präsentieren. Auf diese Weise wurde eine gültige Abstimmung auch bei einer geringeren Anwesenheit von Eigentümern ermöglicht.

Anwendungsfälle für einfache Mehrheit:

In Österreich wird zwischen ordentlicher und außerordentlicher Verwaltung unterschieden.

  • Unter ordentlicher Verwaltung versteht man nach §28 WEG Österreich z.B.:
  • Erhaltungsmaßnahmen und bauliche Veränderungen, die über den Erhaltungszweck hinausgeh
  • Bildung einer angemessenen Rücklage
  • Aufnahme von Darlehen, falls die Rücklage nicht ausreichend ist
  • Angemessene Versicherung der Liegenschaft
  • Bestellung und Abberufung eines Verwalters bzw. Eigentümervertreters
  • Erlassung und Änderung der Hausordnung
  • Vermietung von allgmein zugänglichen Teilen der Liegenschaft
  • Erstellung des Energieausweises

 

Andere Tätigkeiten zählen zur außerordentlichen Verwaltung - also demnach alle Maßnahmen, welche nicht unter § 28 WEG 2002 fallen.

Für Fälle der ordentlichen und außerordentlichen Verwaltung gilt prinzipiell die einfache Mehrheit entsprechend WEG Novelle 2022.

Beispiel:

Fünf Eigentümer, jeder mit 100 Miteigentumsanteilen (500 MEA gesamt). Drei Eigentümer sind anwesend. Davon stimmen zwei Eigentümer mit Ja, ein Eigentümer mit Nein. Es sind zwar mehr als 50% der Miteigentumsanteile anwesend. Allerdings wäre die Abstimmung nach der alten Regelung negativ ausgefallen, da 200 von 500 unter 50% liegt. Allerdings haben 2 von 3 anwesenden Eigentümern mit Ja gestimmt, und diese stellen mehr als ein Drittel der Gesamt-MEA dar.

Somit ist der Beschluss nach der neuen Regelung angenommen worden.

 

Zweidrittelmehrheit

Bei der Zweidrittelmehrheit müssen mindestens 66% aller Miteigentumsanteile (nicht nur der anwesenden MEA) mit Ja stimmen.

Anwendungsfall:

Die Eigentümerversammlung muss in Österreich alle zwei Jahre einberufen werden. Die Gemeinschaft kann aber beschließen, dass diese Frist entweder gekürzt oder verlängert wird. Hierfür wird eine Zweidrittelmehrheit der Eigentümer benötigt. Ein weiterer Fall wäre eine Vereinbarung über die Benützung der verfügbaren allgemeinen Teile der Liegenschaft

Beispiel:

10 Eigentümer. 7 stimmen zu, dass die Eigentümerversammlung jährlich, anstatt alle zwei Jahre abgehalten wird.

Der Antrag wurde angenommen.

 

Einstimmigkeit

Im Falle der Einstimmigkeit müssen 100% der Gesamt-Miteigentumsanteile mit Ja stimmen.

Einstimmigkeit wird für Verfügungen benötigt. Eine Verfügung hat eine maßgebliche Auswirkung auf die Miteigentumsanteile bzw. das gemeinschaftliche Gut der einzelnen Eigentümer. Auch ein Eingriff in die individuellen Rechte der Wohnungseigentümer benötigt eine Verfügung, und diese muss einstimmig beschlossen werden.

Anwendungsfall:

Es ist geplant, die Schenkung der Nachbarliegenschaft anzunehmen. Dies erfordert eine Zustimmung aller Eigentümer.

Beispiel:

10 Eigentümer. Alle 10 Eigentümer müssen mit Ja stimmen.

 

Der Umlaufbeschluss in Österreich

Umlaufbeschlüsse können in Österreich automatisch nach dem Mehrheitsprinzip entsprechend WEG Novelle 2022 durchgeführt werden, in Deutschland sieht das Gesetz Allstimmigkeit vor, das aber durch einfache Mehrheit ersetzt werden kann, solange es die Eigentümer vorher beschließen.

Beschlüsse können auch "in anderer Form als einer Versammlung" durchgeführt werden. (§24 Abs. 1 WEG Österreich). Somit sind Umlaufbeschlüsse auch in Textform und elektronisch (nicht in Briefform) möglich.

 

 


 

Besonderheiten beim Stimmrecht

 

2 Eigentümer einer Wohnung: Stimmrecht

 

Wenn mehrere Personen gemeinsam Eigentümer einer Wohnung sind (in Österreich: Eigentümerpartnerschaft zweier Personen - seit 2002 im WEG geregelt), verfügen sie nur über ein gemeinsames Stimmrecht. Das bedeutet, das Stimmrecht kann nicht unter mehreren aufgeteilt werden. Herrscht zwischen den Wohnungseigentümern Uneinigkeit, verlieren sie ihr Stimmrecht. Anders gesagt:

  • Stimmt eine Person mit Ja, die andere Person mit Nein, oder umgekehrt: Stimme ungültig
  • Stimmt nur eine Person ab, die andere Person nicht: Stimme ungültig
  • Stimmen beide Personen gleich ab: Stimme gültig

 

Stimmrecht bei Insolvenz oder Zwangsverwaltung

 

In bestimmten Fällen können auch Nicht-Wohnungseigentümer stimmberechtigt sein. Dies ist der Fall, wenn sie kraft gesetzlicher Anordnung Mitverwaltungsrechte aus dem Wohnungseigentum ausüben. Beispiele dafür sind der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Wohnungseigentümers oder der Zwangsverwalter in der Zwangsverwaltung von Wohnungseigentum.

 

Änderungen der Stimmverhältnisse

 

Die Stimmverhältnisse innerhalb der Gemeinschaft können sich durch die Veräußerung von Wohnungseigentum ändern. Dies ist der Fall, wenn das gesetzliche Objekt- oder Wertprinzip gilt. So kommt es zur Vermehrung von Stimmrechten, wenn der Wohnungseigentümer mit mehreren Wohnungen eine oder mehrere Wohnungen veräußert.

 

Stimmrechtsausschlüsse

 

In Ausnahmefällen können Wohnungseigentümer von der Ausübung ihres Stimmrechts ausgeschlossen sein. Dies ist der Fall, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit einem Wohnungseigentümer betrifft oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits mit dem betroffenen Wohnungseigentümer.

 

Wenn Sie mehr über die Möglichkeiten hinsichtlich Automatisierung von Eigentümerversammlungen wissen möchten, schauen Sie sich vBeschluss an: Software für virtuelle, hybride Eigentümerversammlungen bzw. für Präsenzveranstaltungen.

 

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